Inhalte des Betriebsrentenstärkungsgesetzes
2018 erfolgt die größte Reform des Betriebsrentenrechts seit 1974
Juristen sagen gerne „ein Blick in das Gesetz hilft bei der Rechtsfindung“. Sieht man in der Gesetzesbegründung nach, warum das Betriebsrentenstärkungsgesetz (BRSG, BT-Drucksache 18/11286) kommt, steht dort:
„Besonders in kleinen Unternehmen und bei Beschäftigten mit niedrigem Einkommen besteht noch erhebliches Verbreitungspotenzial für die betriebliche Altersversorgung…Aber auch in größeren Unternehmen und bei Beschäftigten mit höherem Einkommen … kann die betriebliche Altersversorgung quantitativ und qualitativ noch verbessert werden. … Untersuchungen belegen, dass insbesondere der mit der Einführung eines Betriebsrentensystems verbundene hohe Verwaltungs- und Kostenaufwand … Hemmnisse darstellen. Hinzu kommen ein fehlendes Interesse an betrieblicher Altersversorgung sowohl von Seiten der Arbeitgeber wie der Arbeitnehmer, das auch aus der hohen Komplexität der Thematik resultiert, sowie fehlende objektive Informationsmöglichkeiten. Nicht zuletzt fehlen Geringverdienern häufig die Mittel, um im Wege der Entgeltumwandlung eine substanzielle Betriebsrente aufzubauen.“
Um die betriebliche Altersversorgung zu stärken, wird das BRSG eine Vielzahl von Gesetzen zum 01.01.2018 ändern. Die Neuregelungen lassen sich in fünf Bereiche mit den folgenden wesentlichen Inhalten unterteilen:
1. Verbesserungen bei der Riesterförderung
2. Freigrenze für Rentenzahlungen und Förderung für Geringverdiener
3. Verpflichtender Arbeitgeberzuschuss bei Entgeltumwandlung und weitere Verbesserungen für die bAV
4. Optionssystem
5. Sozialpartnermodell
zu 1. Verbesserungen bei der Riesterförderung:
– Die Grundförderung steigt von 154 € auf 175 € p.a..
– Leistungen aus bAV-Riesterverträgen sind sozialversicherungsfrei (Doppelverbeitragung abgeschafft).
– Fünftelungsregelung für die Abfindung von Kleinbetragsrenten anwendbar.
zu 2. Freigrenze für Rentenzahlungen und Förderung für Geringverdiener:
– Keine Anrechnung von bAV-Renten auf die Grundsicherung bis zur Freigrenze 100 € mtl., dann zu 70%. Anrechnungsfreier Höchstbetrag 204,50 € mtl..
– Förderbeitrag für Niedrigverdiener < 2.200 € brutto mtl. unabhängig vom Beschäftigungsgrad für ArbG, die einen ArbG-Beitrag i.H.v. 240 € – 480 € p.a. einzahlen.
– Der Arbeitgeber erhält 30% über die LSt.-Anmeldung erstattet (72 – 144 €).
– Gilt nur für neue Vereinbarungen ab 01.01.2018, Vergleichsjahr Alt/Neu ist 2016.
– Mögliche Durchführungswege Direktversicherung, Pensionskasse, Pensionsfonds.
– Zusätzlich zur steuerlichen Förderung nach § 3 Nr. 63 EStG.
zu 3. Verpflichtender Arbeitgeberzuschuss bei Entgeltumwandlung und weitere Verbesserungen für die bAV:
– Erhöhung der steuerlichen Förderung nach § 3 Nr. 63 S.1 EStG von 4% auf 8%.
– Dafür Streichung der 1.800 € (§ 3 Nr. 63 S.3 EStG).
– Jährliche Anrechnung der wirklich genutzten 40b-Beiträge auf die 8%.
– Keine Änderung der SV-Förderung.
– Prüfung Altzusage/Uraltzusage entfällt, ein 40b-Beitragsnachweis vor 2018 reicht aus.- Neufassung der Vervielfältiger Regel: 4% mal max. 10 J. bei Ausscheiden, 8% mal max. 10 J. bei Nachzahlungen für z.B. längere Krankheit, Expatriates, Elternzeit.
– Zwingende Weitergabe der SV-Ersparnis durch 15% Arbeitgeberzuschuss bei Entgeltumwandlung für neue Vereinbarungen ab 2019. Ältere Vereinbarungen müssen den Zuschuss ab 2022 erhalten.
– Regelung gilt nur für die Durchführungswege Direktversicherung, Pensionskasse, Pensionsfonds.
– Der Zuschuss muss max. bis zur Höhe der Ersparnis von SV-Beiträgen gewährt werden.
– Tarifverträge können andere Regelungen zum Zuschuss festlegen (z.B. andere Höhe, Reduzierung bis auf Null).
– Der Zuschuss ist sofort unverfallbar.
– Ob bestehende Arbeitgeberzuschüsse oder Matching-Systeme auf den Arbeitgeberzuschuss angerechnet werden können, ist im Gesetz nicht geregelt. Sofern der Zuschuss mindestens 15% beträgt, sollte das u.E. möglich sein.
zu 4. Optionssystem:
– Optionssystem („Opting-Out“) rechtssicher auch für bestehende Entgeltstrukturen möglich, mit Widerspruchsrecht.
– Möglich für tarifvertragsgebundene Unternehmen oder für an einschlägige Tarifverträge angelehnte Betriebsvereinbarungen.
zu 5. Sozialpartnermodell:
– Einführung einer Beitragszusage als neue Zusageart in § 1 BetrAVG (rBZ) mit den Hauptmerkmalen:
– Enthaftung des Arbeitgebers (entfallende Einstandspflicht).
– striktes Garantieverbot (Zielrentensystem, die Höhe darf ausdrücklich nicht garantiert werden).
– jegliche Kapitalisierung oder Kapitaloption unzulässig.
– Mögliche Durchführungswege Direktversicherung, Pensionskasse, Pensionsfonds.
– Steuerliche Förderung nach § 3.63 EStG.
– Möglich für tarifgebundene Unternehmen, oder sofern im Tarifvertrag zugelassen, für jeweils an den Tarifvertrag angelehnte Vereinbarungen.
– Tarifverträge können mit oder ohne Öffnungsklausel geschlossen werden.
– Tarifvertragsparteien sollen nicht tarifgebundenen ArbG oder ArbN den Zugang nicht verwehren.
– Tarifpartner müssen sich an der Durchführung und Steuerung der durchführenden Einrichtung beteiligen (Aufsichtsrat oder Gremien).
– Soll-Vorschrift: Sicherungsbeiträge des ArbG an den Versorgungsträger als Ersatz für die entfallende Einstandspflicht und als Sicherheitspuffer für Leistungsschwankungen.
– Separater Anlagestock (kollektiv/Kohorte, nicht einzelvertraglich) beim Versorgungsträger.
– Sicherheitspuffer 25% des Anlagestocks, Zuführung und Entnahmen regeln die Tarifparteien mit.
– Zwingende Weitergabe der SV-Ersparnis bei Entgeltumwandlung durch 15% ArbG-Zuschuss.
– ArbN ist, auch bei der Jahresinformation, ausdrücklich darauf hinzuweisen, dass es keine Garantien und veränderbare Renten gibt.
– Ob, wie und ab wann die Tarifvertragsparteien das Sozialpartnermodell umsetzen ist offen.
Das Gesetz tritt zum 01.01.2018 in Kraft.
Ulf Kesting, Vorstand DGbAV AG